Krafttraining 101

Von Tobias Gradinger


Die meisten von euch, die hier trainieren, sind Sportler. Ihr macht Krafttraining um besser in der Sportart zu werden, die ihr ausübt. So sollte es zumindest sein wenn ihr den Sport, den ihr ausübt wirklich ernst nehmt. Trotzdem sehe ich immer wieder Leute, die nach Plänen trainieren, die extrem ineffektiv für ein solches Ziel sind. Einige scheinen schier endlos viele verschiedene Übungen zu machen und das alles auch noch in einer Trainingseinheit. Außerdem scheinen die meisten auch das Konzept des Trainings einzelner Muskelgruppen zu verfolgen. Wenn ich jemandem einen Traingsplan schreibe und er fragt mich welche Muskelgruppen wir an welchen Tagen machen, ist meine Antwort: "Wir trainieren keine Musklen wir trainieren Körper." Es gibt keine Sportart in der man isoliert z.B. seinen Bizeps benutzt. In der Regel wird immer der ganze Körper eingesetzt oder zumindest große Teile gleichzetig oder in Abfolge.


Es ist also sinnvoll Übungen zu wählen, die möglichst viele Muskelgruppen auf einmal ansprechen. Der Körper wird als Einheit trainiert, so wie er als Einheit "genutzt" wird. Einzelne Isolationsübungen können sinnvoll sein um spezifische Schwächen gezielt zu beheben. Außerdem sollten immer freie Gewichte vor Geräten gewählt werden, da beim Training mit freien Gewichten auch die Stabilisatoren mittrainiert werden. Dies führt dazu, dass die gewonnene Kraft besser umgesetzt werden kann und das Verletzungsrisiko wesentlich geringer ist.


Aber selbst wenn das Ziel eine möglichst ästhetische Figur ist, sollten die sogenannten "compound movements" (Übungen bei denen sehr viele Muskelgruppen auf einmal angesprochen werden) der Hauptfokus sein. Der Grund hierfür ist, dass man bei compound movements das meiste Gewicht bewegen kann und so der Reiz für Muskelwachstum am größten ist. Wenn einzelne Muskelgruppen besonders hervorgehoben werden sollen (z.B. der Bizeps für den klassischen "Discopumper") so kann man dies erreichen indem man diesen nochmals gezielt trainiert nachdem man seine compound movements trainiert hat. Eine Trainingseinheit sollte aus 2-4 compound movements und 2-4 mehr oder weniger isolierenden Übungen bestehen und ca. 60-90 min dauern. Wer wenig Zeit hat oder ansonsten eine starke Belastung des Körpers durch seinen Sport hat (wer z.B. mehr als 4 mal pro Woche rudert) lässt die Isolationsübungen einfach weg. Training bis zum Muskelversagen sollte wenn überhaupt nur Phasenweise durchgeführt werden, da es sehr belstend für das ZNS ist und dieses recht schnell übertrainiert. Außerdem sollte das Gewicht kontinuierlich gesteigert werden. Die Muskelkontraktion sollte immer so explosiv wie möglich durchgeführt werden ohne dass die Ausführung suboptimal wird. Weniger ist mehr. 3 mal pro Woche intensives und voll konzentriertes Krafttraining ist vollkommen ausreichend. Die Musklen wachsen nicht während des Trainings sondern während sie ruhen. Auch das ZNS adaptiert am effektivsten in den Ruhephasen.


Gerade für Athleten ist der Unterkörper der Bereich wo die meiste Power herkommt. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass bei fast allen athletischen Aktivitäten die sogenannte posterior chain die größte Rolle für die Kraftentwicklung spielt. Diese besteht grob zusammengefasst aus den Biceps femori (hintere Beinmuskeln), dem Gluteus (de Arsch) und den errector spinae (Lendenwirbelmuskulatur). Aus dem Zusammenspiel dieser Muskeln kommt die meiste Power z.B. beim Springen und Sprinten (die meisten Ballsportarten bestehen, abgesehen von dem technischen Element, hauptsächlich hieraus). Auch beim Rudern spielen diese Muskeln eine herausragende Rolle wobei hier dem Quadriceps (oberer Beinmuskel) noch eine größere Rolle zukommt als in den meisten anderen Sportarten. Wieder einmal sollten diese Muskeln auf einmal trainiert werden so wie sie auch auf einmal genutzt werden. Jetzt zu den Übungen aus denen euer Training in der Hauptsache bestehen sollte:


Unterkörper:

- Kreuzheben (Deadlift) - Der König der Übungen. Egal ob du Athlet bist oder nur dicke Muskeln willst - ein Muss in jedem Trainingskonzept. Primemover sind der Biceps femoris, der Gluteus und die Errector spinae (wir erinnern uns) aber auch der latissimus dorsi (Rücken), der Trapezius (Rücken und Nacken) und die Bauchmuskeln werden extrem beansprucht. Es gibt viele Variationen aus denen ausgewählt werden kann.

- Kniebeuge (Squats) - Die Königin der Übungen. Primemover sind der Quadriceps, Biceps femoris, Gluteus und Errector spinae. Aber wie beim Kreuzheben werden auch wieder Rücken und Bauch gut trainiert. Außerdem werden die Waden beansprucht (stabilisieren). Hierzu gibt es auch wieder jede Menge Variationen.


Horizontales Ziehen:

- Übergebeugtes Rudern (Bent oder rows) - Primemover sind der Latissimus dorsi und der Bizeps (wobei der Latissimus natürlich die meiste Arbeit übernimmt). Außerdem wird wieder die gesamte posterior chain trainiert, da man ja während der ganzen Übung in einem statischen Kreuzheben verharrt. Überhandgriff, Unterhandgriff und verschiedene Griffweiten möglich.
Als Variation sind auch Bankziehen, Kurzhantelrudern oder Kabelzugrudern eine Möglichkeit, hauptsächlich sollte aber die freistehende Variante mit der Langhantel gewählt werden, da diese wie schon gesagt zusätzlich die posterior chain trainiert.


Horizontales Drücken:

- Bankdrücken (Benchpress) - Primemover sind der Trizeps, der pectoralis (Brust - je nach Variation mehr der minor oder mehr der major), und die vordern Schultermuskeln. Viele bekannte Variationen wie Schrägbankdrücken und enges Bankdrücken möglich. Für Ruderer weniger wichtig.


Vertikales Ziehen:

- Klimmzüge (Pullups/Chinups) - Primemover sind der Latissimus dorsi und der Bizeps. Je nach Variation werden auch noch die Bauchmuskeln mehr oder weniger trainiert. Möglich sind ein pronierter (Überhandgriff), ein supinierter (Unterhandgriff) und ein neutraler Griff. Mittels eines Gürtels, einer Kette oder eins Rucksacks kann das Gewicht erhöht werden. Im englischen werden in der Regel Klimmzüge mit proniertem Griff als Pullups und mit supiniertem Griff als Chinups bezeichnet.

- Shrugs (Shrugs) - Primemover ist der Trapezius. Da man ein sehr schweres Gewicht aufrecht stehend hält, werden auch die Coremuskeln stark beansprucht. Beim Powershrug werden außerdem die Waden aktiv trainiert.


Vertikales Drücken:

- Überkopfdrücken (Overheadpress) - Primemover sind der vordere Deltamuskel und der Trizeps. Da immer stehende Varianten vor sitzenden gewählt werden sollten wird hierbei auch der gesamte Bereich, der im englischen als "core" (Abdominale, Obliquen und Lendenwirbelsäulenmuskulatur) bezeichnet wird trainiert. Variaitonen sind z.B. striktes drücken (ohne Einsatz der Beine) oder mit Beineinsatz. Außerdem können Langhanteln oder Kurzhanteln benutzt werden. Für Ruderer weniger wichtig.

- Dips (Dips) - Primemover sind der Trizeps, der vordere Deltamuskel und die Brustmuskeln. Außerdem wird auch der gesamte obere Rücken beansprucht.
Gewicht kann wieder mittels Gürtel, Kette oder Rucksack erhöht werden.


Bei allen aufgeführten Übungen ist es extrem wichtig sie perfekt auszuführen. Ich bin gerne bereit, jeden, der mich darum bittet in der richtigen Ausführung zu unterweisen.


Eine weitere Gruppe sehr effektiver Übungen sind die Disziplinen des olympischen Gewichthebens (Reißen und Umsetzten und Stoßen) und ihre Variationen. Jedoch gibt es bei uns niemanden, der wirklich qualifiziert wäre diese Übungen zu lehren.


Um muskuläre Imbalancen im Oberkörper zu vermeiden sollte man immer in der Lage sein in etwa genausoviel zu ziehen wie zu drücken. Ob das bei dir der Fall ist kannst du gut testen indem testest wieviel du im Bankdrücken schaffst und wieviel bei einem Klimmzug mit Unterhandgriff. Das bewegte Gewicht beim Bankdrücken sollte in etwa dem Gewicht entsprechen, dass du beim Klimmzug bewegt hast (Körpergewicht+Zusatzgewicht). Solltest du deutlich mehr ziehen als du drückst ist das nicht so schlimm als wenn du mehr drückst als du ziehst. Aber so oder so ist die Balance der Optimalzustand.


Bankdrücken wird oft als der Maßstab für Kraft herangezogen ("Wieviel drückst du?"). Das ist ziemlicher Schwachsinn, da das Bandrücken lediglich Auskunft über deine horizontale Drückkraft gibt. Die Primemover sind auch die nicht die Stärksten und größten Muskeln im Körper. Ein guter Maßstab für Gesamtkörperkraft ist das Gesamtgewicht, das man beim Kreuzheben, Kniebeugen, Überkopfdrücken mit Beineinsatz, Bankdrücken und Klimmzug schafft. Beispiel: Kreuzheben-160kg, Kniebeuge-130kg, Bankdrücken-100kg, Überkopfdrücken-90kg, Klimmzug-110kg = 590kg Gesamtgewicht. Oft werden auch nur die Werte der "Big three" (Kreuzheben, Kniebeuge, Bankdrücken) als Maßstab herangezogen. Wenn es überhaupt eine Übung gibt, die am besten die Gesamtkörperkraft widerspiegelt so ist dies das Kreuzheben.


Wer möchte dem stelle ich einen Plan nach seinen individuellen Schwächen und Stärken zusammen. Da sich eigentlich alle von euch noch im Anfängerstadium befinden, fahrt ihr auch sehr gut mit einem allgemeinen Plan. Einige dieser Samples werde ich mit Robert zusammen ausarbeiten und hier aushängen.


Was ist stark? Richtig stark ist jemand, der sein dreifaches Körpergewicht im Kreuzheben schafft, sein 2 1/2 faches Körpergewicht im Kniebeugen, sein doppeltes Körpergewicht im Bankdrücken, einen einarmigen Klimmzug und sein 1 1/2 faches Körpergewicht Überkopfdrücken kann. Erreichbar für jederman mit konsequentem Training ist Kreuzheben (250% des Körpergewichts), Kniebeuge (200%), Bankdrücken (150%), Klimmzug (150%)und Überkopfdrücken (100%).


Viel Erfolg.


Tobias Gradinger